DIN IEC/TR 61340-1 VDE 0300-1:2014-06
Elektrostatik
Teil 1: Elektrostatische Vorgänge – Grundlagen und Messungen
(IEC/TR 61340-1:2012 + Cor.:2013)
Art/Status:
Norm,
zurückgezogen
Ausgabedatum: 2014 -06
VDE-Artnr.: 0300032
Der hier vorliegende Technische Bericht gibt eine Übersicht über den Bereich der Elektrostatik und ist so abgefasst, dass er dem Anwender einen Einblick zu Hintergrund, Grundlagen, Messmethoden und industriellen Anwendungen gibt, die sich in Übereinstimmung mit entsprechenden Veröffentlichungen von IEC/TC 101 befinden.
Dieser Teil der IEC 61340, welcher als Technischer Bericht herausgegeben wurde, beschreibt die grundlegenden Begriffe elektrostatischer Phänomene, einschließlich Ladungserzeugung, -erhaltung und -ableitung und elektrostatische Entladungen.
Methoden zur Messung elektrostatischer Phänomene und der mit diesen in Zusammenhang stehenden Materialeigenschaften werden allgemeingültig beschrieben.
Gefahren und mit elektrostatischen Problemen in Verbindung stehende Phänomene und Prinzipien zur Überwachung werden beschrieben.
Nützliche Anwendungen elektrostatischer Effekte werden zusammengefasst dargestellt.
Der Zweck dieses Technischen Berichts ist es, als Referenz zur Entwicklung von mit Elektrostatik in Verbindung stehenden Normen zu dienen und eine Anleitung und Hilfestellung für die Normenanwender zu geben.
In diesem Technischen Bericht sind nur die für die Elektrostatik gebräuchlichsten Begriffe zusammengestellt und erklärt. Spezialbegriffe wurden nicht aufgenommen, sie lassen sich in den entsprechenden Normen finden.
Die Hauptursache elektrostatischer Aufladung ist Trennaufladung (Reibungsaufladung). Wenn zwei zunächst ungeladene Stoffe in Kontakt gebracht werden, kommt es im Allgemeinen in ihrer gemeinsamen Grenzfläche zu einem Übertritt von Ladung. Beim Trennen trägt jede Oberfläche eine Ladung gleicher Höhe, jedoch von gegensinniger Polarität. Leitfähige oder ableitfähige Stoffe können durch Influenz aufgeladen werden, wenn sie sich in einem elektrischen Feld befinden, das in der Umgebung gebildet wird durch andere geladene Stoffe oder Leiter auf hohem Potential. Jeder Gegenstand kann aufgeladen werden, wenn sich geladene Teilchen oder Moleküle darauf ansammeln.
Es ist äußerst wichtig, sich dieses Phänomens bewusst zu sein, um die richtigen Testverfahren anzuwenden und die daraus resultierenden Daten eindeutig zu interpretieren. Wo es nötig erscheint, sind in dieser Anleitung weitere Empfehlungen mit Beschreibungen der jeweiligen Testverfahren eingefügt.
Elektrostatische Aufladungen unterscheiden sich sehr in Art und Weise und dementsprechend können ihre Auswirkungen als Ursachen elektrostatischer Probleme sehr verschieden sein. Entladungen zwischen metallenen Anlagenteilen, wie z. B. Funken zwischen geladenen Teilen und Erde, verursachen die größten Schäden. Jedoch auch Entladungen von aufgeladenen Isolierstoffen können nachteilig sein. Durchschläge der Isolierschichten von Halbleitern können bereits bei Spannungen unter 50 V eintreten und andere Schäden wie Materialschmelze erfordern nur wenige Mikrojoule an Energie.
Eine elektrostatische Entladung findet statt, wenn das elektrische Feld die Durchbruchfeldstärke des umgebenden Gases, normalerweise Luft, übersteigt. Als Anhaltswert beträgt die Durchbruchfeldstärke für flache Oberflächen oder solche mit großem Radius bei Abständen von 10 mm oder mehr unter atmosphärischen Bedingungen etwa 3 MV/m.
Die elektrostatischen Entladungen unterscheiden sich stark nach ihrer Art und sind im Einzelnen abhängig von den sie verursachenden Umständen. Die verschiedenen Entladungsarten lassen sich einordnen, wie in diesem technischen Report beschrieben, wenn auch die Abgrenzung zwischen den unterschiedlichen Arten nicht vollkommen eindeutig ist.
Die elektrostatische Entladung (ESD) ist eine der ernsthaftesten Bedrohungen elektronischer Bauteile und Systeme. Elektronische Bauteile haben gegenüber ESD einen weiten Empfindlichkeitsbereich. Beispiele für die anfälligsten Typen sind: Halbleiter, Leseköpfe (magnetoresistiv), Dünnschichtwiderstände. Bereits ein geringes elektrostatisches Potential von 10 V kann zum Ausfall bestimmter Bauteile führen.
Wegen dieser hohen Empfindlichkeit kann angenommen werden, dass alle Arten elektrostatischer Entladungen empfindliche elektronische Bauteile beschädigen können.
ESD-Schäden können zu sofortigem fatalen Versagen, verdecktem Versagen oder geringem Versagen führen.
Fatales Versagen führt sofort zu Zerstörung oder Ausfall eines Bauteiles, wodurch die Bauteile oder das System nicht mehr funktionieren oder nicht mehr den Anforderungen genügen.
Ein Bauteil mit verdecktem Versagen kann zwar Änderungen in seinen Eigenschaften aufweisen, doch trotzdem noch den Anforderungen genügen. Es kann jedoch durch das ESD-Ereignis vorgeschädigt werden. Ein Bauteil mit verdecktem Versagen kann empfindlicher werden für nachfolgende ESD oder andere Beanspruchungen. Es besteht daher eine zunehmende Wahrscheinlichkeit für solche Bauteile, vorzeitig auszufallen.
Zu geringen Fehlern kommt es, wenn ein programmiertes Bauteil ESD ausgesetzt ist und ihr installiertes Programm ändert. Infolge durchgeleiteter oder eingestrahlter elektromagnetischer Störungen, verursacht durch elektrostatische Entladungen, können falsche Signale im System auftreten.
Auch auf Nutzanwendungen elektrostatischer Effekte wird in dem Bericht eingegangen.
Fotokopierer und Tintenstrahldrucker sind beispielsweise weit verbreitete Geräte, die einen enormen Beitrag zur Informationstechnik leisten. Der elektrofotografische Prozess beruht völlig auf elektrostatischen Effekten und der Tintenstrahldrucker nutzt die präzise Ablenkung genau dimensionierter und aufgeladener Tintentröpfchen. Im erstgenannten Prozess wird das optische Bild in ein Ladungsmuster auf einen durch Corona aufgeladenen Fotohalbleiter übertragen, welches nachfolgend entwickelt wird durch die Anziehung gegensinnig geladener Entwicklerteilchen. Im letzten Stadium erfolgt die Übertragung des entwickelten Bildes auf das Kopierpapier, wiederum mit Hilfe eines elektrostatischen Feldes.
Coronaaufladung von Staubteilchen, die elektrischen Eigenschaften aufgefangener abgeflossener Staubschichten und die Erzeugung dauerhafter elektrischer Felder tragen zur Wirksamkeit elektrostatischer Abscheider bei.
Elektrostatisches Lackieren, Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln, Beflocken und Erzaufbereitung sowie Trennung von Kunststoffen zählen alle entweder zu rentablen oder aufkommenden industriellen Prozessen. Ganz gewiss ist die zweckmäßige Verwirklichung aller Möglichkeiten zur Überwachung und Anwendung elektrostatischer Effekte entscheidend von den zahlenmäßigen Werten elektrostatischer Parameter und entsprechender Materialeigenschaften abhängig.
Die im ersten Corrigendum zu IEC/TR 61340-1 vom März 2013 herausgegebenen Änderungen sind in der hier vorliegenden konsolidierten deutschen Fassung bereits eingearbeitet.